"Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde", (Henry Ford)

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Gemäss kantonaler Statistik wird der Berner Wald von drei Baumarten dominiert. Die Fichte macht ca. 49%, die Tanne ca. 23% und die Buche ca. 18% aus. Der Rest verteilt sich auf übrige Baumarten. Angesichts der Mengenverteilung ist es naheliegend, dass für den Nadelholzeinschnitt am meisten Kapazitäten in der Schweiz bestehen. Das Nadelholz ist zudem in der Verarbeitung einfacher zu handhaben.

albisguetli_png_2016-02-17-18-40-44.pngWenn ich heute Waldfachleute frage, was die Buche (Laubholz) langfristig für Optionen hat, dann erhalte ich in der Regel ein Schulterzucken und «sie brennt ja gut» zur Antwort. Seit gut 20 Jahren besteht das Konzept der Waldbesitzer im Umgang mit der Buche v.a. darin, sie zu exportieren, industriell zu Platten zu verarbeiten oder zu verbrennen. Früher wurden die brauchbaren Stämme nach Italien – heute auch nach Asien exportiert. Nur ein sehr kleiner Teil bleibt in der Schweiz.

Dass dabei Wertschöpfung verloren geht, ist naheliegend. Die Waldbesitzer «beider Basel» haben sich mit diesem Konzept nicht zufrieden gegeben und nach alternativen Lösungen gesucht. In Zusammenarbeit mit einem der wenigen Schweizer Laubholzsäger entstand das Projekt «Fagus Jura».

Dass dieses nicht auf breites Echo in der Holzindustrie stösst, ist nachvollziehbar. Wir haben primär eine Nadelholz verarbeitende Industrie. Der Umgang mit Buche ist ein völlig anderer als mit Nadelholz. Das fachliche «Knowhow» beim konstruktiven Einsatz von Buche fehlt in der Schweiz auf breiter Front. Ziel ist es Buche (Laubholz) so zu verleimen, dass industrielle Halbfertigprodukte für den Hochbau aus einheimischem Holz verfügbar sind.

Buche bringt dabei einige gewichtige Vorteile mit: sie lässt sich aufgrund ihrer Steifigkeit schwächer dimensionieren und hat ein höheres Eigengewicht, was beispielsweise im Schallschutz Vorteile bringt. Auf der anderen Seite hat sie gegenüber Nadelholz auch Nachteile.

Die Frage, die sich bei einem solchen Projekt jedoch stellt, ist also nicht primär, ob die Buche das Nadelholz verdrängen kann oder soll – sondern wo sie dem Holzbau neue Anwendungsbereiche eröffnet und – auch anderen Materialien gegenüber - überlegen ist.

Entsprechend der geringen Verankerung der Buche im Holzbau wird das Projekt kontrovers diskutiert. Vielfach wird aufgeführt, dass in der Schweiz eine international konkurrenzfähige Buchenleimholzherstellung nicht möglich sei. Wollen wir aber in derselben Logik weiterdiskutieren, müssten wir konsequenterweise folgende Schlüsse ziehen:


• Viele Schnittholzsortimente aus Nadelholz können heute ebenfalls günstiger aus dem Ausland bezogen werden – wollen wir deshalb auf den Nadelholzeinschnitt im Inland verzichten?

• Viele Forstbetriebe bewirtschaften ihren Wald deutlich teurer als ausländische Waldbesitzer. Wollen wir deshalb auf die Waldbewirtschaftung verzichten?

Diese Logik greift so nicht. Die Frage ist, ob es gelingt, Märkte für einheimische Buchenprodukte zu etablieren. Hierzu braucht es vor allem eines: Ingenieure, Architekten und Bauherren, die die Buche gekonnt und überlegen einsetzen wollen sowie ein starkes Marketing.

Gelegentlich höre ich die rhetorische Anmerkung, dass das Projekt ja kaum aussichtsreich sein könne, weil sich die Holzindustrie nicht finanziell beteilige. Meines Erachtens muss die Frage gestellt werden, welche Holzindustrie? Die Nadelholzindustrie? Warum sollte sie sich beteiligen? Diese Forderung ist etwa gleich absurd, wie wenn ich einen Gemüsebauern dazu überreden wollte, sich an einem alpinen Milchproduktionsbetrieb mit Alpkäseherstellung zu beteiligen. Nur weil beide Bauern sind, heisst dies noch lange nicht, dass der eine das Know-how für das Geschäftsfeld des anderen hat.

Immerhin – bei Fagus Jura sind einige innovative Laubholzbetriebe beteiligt. Innovationen verursachen in einer Anfangsphase immer Kosten und Widerstände. Es ist naheliegend, dass diese Kosten durch jene getragen werden müssen, die das grösste Interesse an einer sinnvollen Verwendung von Laubholz im Inland haben. Das sind einerseits die betroffenen Waldbesitzer und andererseits auch die öffentliche Hand selber, die die Kaskadennutzung aus verschiedenen politischen Absichten heraus propagiert.

Ich bin mir bewusst, dass verschiedene Leser sich beim Lesen obiger Zeilen fragen: «ist er jetzt zu den Laubholzjüngern übergelaufen» - keineswegs. Nadelholz hatte, hat und behält eine herausragende Bedeutung im Holzbau. Die Herausforderungen in diesem Sektor sind ebenfalls gross – insbesondere in Anbetracht des starken Importdrucks.

Es wäre aber in einer Gesamtrisikostrategie meines Erachtens völlig falsch, sich nur auf die Nadelholzprobleme – oder nur auf die Laubholzprobleme zu fokussieren. Ebenso wenig handelt es sich um die gelegentlich theologisch anmutende waldbauliche Frage, ob Laub- oder Nadelholz verjüngt werden soll. «Sowohl als auch» ist hier intelligenterweise wohl die richtige Antwort.

Das Projekt Fagus Jura verdient die Unterstützung der interessierten Waldbesitzer. Wer sich für das Projekt interessiert kann sich auf der Homepage www.fagusjura.ch informieren. Übrigens - Waldbesitzer, die an echter Wirtschaftlichkeit interessiert sind, machen eine Gesamtrechnung. Die Frage, die es dabei zu beantworten gilt ist folgende: Welche Baumart kostet mich von der Naturverjüngung oder Pflanzung bis zur Ernte wieviel Geld und welchen Deckungsbeitrag darf ich am Schluss nach der Ernte und dem Verkauf des geernteten Baumes erwarten?

Quellen:

Text:  Zeitschrift Berner Wald 4/2016, Autor: Stefan Flückiger, Geschäftsführer Berner Waldbesitzer

Bilder: Fagus Jura SA

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