Wärmende Nadelbäume

Die Waldfläche in Europa hat seit 1750 um zehn Prozent zugenommen. Zum Klimaschutz hat das aber vermutlich nichts beigetragen.

Als eine naheliegende Option, die Aufheizung des Klimas zu bremsen, gilt das Pflanzen von Bäumen. Jeder kennt die aufgrund von Schatten und Verdunstung kühlende Wirkung des Blattwerks. Doch die Art und Weise, wie die Wälder Europas seit 1750 bewirtschaftet wurden, hat möglicherweise nicht geholfen, die Erderwärmung zu dämpfen – eher im Gegenteil. Das berichtet jetzt ein siebenköpfiges Forscherteam im Wissenschaftsmagazin «Science».¹

Veränderte Zusammensetzung
Zwischen 1750 und 2010 habe die mit Wäldern bedeckte Fläche in Europa um ein Zehntel zugenommen, also um rund 200 000 Quadratkilometer, schreiben die Autoren. Doch nicht nur die Fläche der Wälder hat sich verändert, sondern auch die Zusammensetzung. Zu Beginn bedeckte Nadelwald 30 Prozent der Fläche, während der Rest mit Laubwald bestanden war, dominiert von Eichen und Buchen. Dann aber gingen die Förster dazu über, Baumarten zu favorisieren, die mehr Ertrag versprachen – vor allem Kiefern und Fichten. Dadurch stieg der Anteil des Nadelwalds auf 57 Prozent.

Mithilfe eines globalen Rechenmodells für Wald und Klima untersuchten die Forscher um Kim Naudts vom Laboratoire des Sciences du Climat et de l'Environnement bei Paris, wie sich die veränderte europäische Waldbewirtschaftung auswirkte. Erstens sank das Reflexionsvermögen des Waldes: Es wurde mehr Sonnenstrahlung absorbiert und in Wärme umgewandelt. Zusätzliche Erwärmung brachte der Übergang zum Nadelwald, weil Nadelbäume weniger Wasser als Laubbäume verdunsten. Das verringert die kühlende Wirkung. Drittens wandelte sich der Umgang der Förster mit Unterholz und Bruchholz. Während diese Holzbestände einst im Wald verblieben, sind sie im Zuge der zunehmenden Bewirtschaftung entnommen und meistens verbrannt worden. Diese Holzmenge entspricht 2,7 Gigatonnen Kohlenstoff. Das entstandene CO2 hat ebenfalls zur Erwärmung beigetragen. Insgesamt trug die veränderte Waldbewirtschaftung in Europa seit 1750 zu einer Erwärmung am Boden um gut ein Zehntelgrad Celsius bei (etwa ein Zehntel des kompletten Temperaturanstiegs).

Trend zu Laubwäldern
Das Potenzial, durch Aufforstung zum Klimaschutz beizutragen, sei in Europa vermutlich recht klein, meint die Erstautorin Naudts. Wenn es darum gehen soll, etwas gegen die Erwärmung zu tun, rät sie auf jeden Fall davon ab, noch mehr Nadelwald anzupflanzen. Es gebe in Europa ohnehin die Tendenz, Nadelwald wieder durch Laubwald zu ersetzen, etwa Fichten durch Buchen, kommentiert Niklaus Zimmermann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. Er ist von der Studie nicht überrascht. Nach seiner Auffassung bestätigt sie frühere Arbeiten zur Wirkung der Waldbewirtschaftung.
Ähnliche Klimaeffekte wie in Europas Wäldern sind möglicherweise auch in China, Russland und den USA wirksam, wo aus verschiedenen Gründen eine grossflächige Aufforstung im Gange ist. Ob Neupflanzungen beim Klimaschutz helfen würden, könne nur ermittelt werden, wenn explizit die Wirkung der Waldbewirtschaftung berücksichtigt werde, geben die Autoren zu bedenken.

¹ Science 351, 597–600 (2016).

Quelle: Neue Zürcher Zeitung; 05.02.2016, Ausgaben-Nr. 29 Seite 58, Forschung und Technik, Sven Titz

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