Alter Pilz, neue Krankheit

Ein altbekannter Pilz befällt Eschen und breitet sich rasend schnell aus

Die neue Form eines zuvor unschädlichen und eher seltenen Pilzes befällt immer mehr Eschen. Ein Gegenmittel ist nicht in Sicht. Experten warnen jedoch vor Panikmache.

fbi. · Bei vielen Eschen im Kanton Zürich konnte diesen Frühling eine auffällige Welke der Blätter beobachtet werden. Das Phänomen existiert erst seit wenigen Jahren. Die bisherige Entwicklung kann jedoch kaum zur Beruhigung beitragen: Erstmals Anfang der neunziger Jahre in Polen entdeckt, hat sich der Pilz mit rasender Geschwindigkeit über fast ganz Europa ausgebreitet. In der Schweiz wurde die Krankheit im Sommer 2008 erstmals nachgewiesen. Seither hat sich der Erreger mit Ausnahme des Tessins, des Wallis und von Teilen der Westschweiz im ganzen Land verbreitet, wie Roland Engesser, Leiter der Gruppe Waldschutz Schweiz der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), sagt. Insbesondere die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei beunruhigend. Es sei deshalb auch nur eine Frage der Zeit, bis der Pilz auch in die bisher verschont gebliebenen Gebiete vorgedrungen sei.

Der Auslöser der Krankheit ist kein Unbekannter. Es handelt sich um einen Pilz, der schon seit 1851 in Europa bekannt ist und bisher als harmlos und eher selten galt. Offenbar durch eine Mutation entstanden, ist der Doppelgänger viel aggressiver und dringt in die Zweige der Eschen ein. Sei eine Esche betroffen, sterbe der Haupttrieb ab, so Engesser. Seitentriebe versuchen dann, dessen Funktion zu übernehmen. So verbuschen die Eschen nach und nach, bis sie schliesslich eingehen.

Panikmache fehl am Platz

Bekämpfungsmassnahmen gibt es bis jetzt keine. «Die abgefallenen Blätter lassen sich ja nicht alle aus dem Wald entfernen», sagt Hanspeter Reifler, Forstmeister im Forstkreis 4 des Kantons Zürich. Zudem komme der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus ökologischen Gründen nicht in Frage. «Wir wollen kein Gift im Wald haben.» Die Anwendung von Fungiziden sei zudem gesetzlich verboten und auch finanziell nicht sinnvoll.

Hinweise, die auf ein grossflächiges Eschensterben in Europa hindeuten, fehlen bis anhin. Panikmache sei daher fehl am Platz, findet Engesser. Die Auswirkungen der Krankheit auf den Eschenbestand könnten heute noch nicht abgeschätzt werden. Er warnt daher auch vor Kurzschlusshandlungen, etwa einem Transportverbot für Eschenholz. Angesichts der Übertragungswege des Pilzes sei ein Transportverbot absurd. Der Forstdienst des Kantons Zürich warnt ebenfalls vor einem voreiligen Handeln, beispielsweise dem flächigen Entfernen von Eschen.

Hoffen auf Resistenzbildung

Für die Waldwirtschaft ist der Pilzbefall auch wirtschaftlich ein Problem. Engesser empfiehlt daher, in den nächsten Jahren bei der Verjüngung der Baumbestände auf die Pflanzung von Eschen zu verzichten. Zudem sollten vom Pilz befallene, ältere Bäume geschlagen werden, um einen Wertverlust zu verhindern.

Die Hoffnungen liegen auf den Selbstheilungskräften der Natur, wie Engesser sagt. Sie werden genährt von Hinweisen auf natürliche Barrieren der Eschen, durch die die Ausbreitung des Pilzes zumindest stark verlangsamt wird. Zudem hat sich in Versuchen gezeigt, dass nicht alle Eschen gleich empfindlich reagieren. Möglicherweise kann also die Natur die Krankheit selbst überwinden.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 4. Juli 2011, Seite 10

© 2024, WaldZürich, VZF, Redaktion Zürcher Wald